Digital,  Randbemerkungen

Luxusprobleme

Wenn mich dereinst meine Enkel bequengeln, „Opa, erzähl uns was von Corona!“, dann werde ich wohl sagen müssen: „Davon hab ich nichts mitbekommen, ich war im Büro.“ – Klar, das eine oder andere merke ich schon: Kunden­besuche sind nicht drin zurzeit, alle für dieses Jahr geplanten Ausstel­lungen sind abgesagt, und beim Einkauf sorgt das vermutlich sinnvolle Vermum­mungs­gebot für chronisch beschla­gene Brillen­gläser. Aber von dem, was an der Pandemie so ernst ist, ist hier auf meiner Insel bis heute nichts ange­kommen.

Tatsäch­lich stellt sich mir das Luxus­problem, wie in den vorigen Artikeln über effizien­teres Arbeiten in einem Blog-Editor nach­denken zu können, ja primär deshalb, weil ich entgegen dem Trend momentan so stark ausge­lastet bin, dass jede Minute vermeid­barer Arbeits­zeit am Rechner im Prinzip von meinem Schlaf­kontingent abgeht, weil die Tage so voll­gepackt sind, dass ansonsten keine Manövrier­masse da ist.

Umso mehr wundere ich mich über eine ganz andere Sorte von Luxus­problem: wenn nämlich Leute darüber klagen, dass sie wg. Corona für dieses Jahr zwei bis drei (Fern-)Reisen absagen mussten oder gar noch mehr. Bei solchen Beschwerden empfinde ich die deutsche Ange­stellten- und Beamten­realität einmal mehr als ein ziem­lich bizarres Parallel­universum. Das kenne ich zwar auch aus etlichen Jahren eigener Erfah­rung, aber inzwischen bin ich lang genug raus, um auch eine andere Seite zu kennen: nämlich die, jahre­lang überhaupt keine Zeit für Urlaub zu haben. Falls unser geplanter einwöchiger Herbst­aufenthalt an der mecklen­burgi­schen Ostsee tatsäch­lich statt­findet, wird es das erste Mal seit Sommer 2014 sein, dass ich länger als drei Tage am Stück nicht im Büro bin (mehrere Messe­reisen und eine schwere Erkrankung nicht einge­rechnet, aber das ist beides ja das Gegen­teil von Urlaub). Und einfach nur keine Zeit für Urlaub zu haben ist immer noch gold dagegen, sich finan­ziell einfach gar keine Reisen leisten zu können – und auch das gibt es ja in Deutschland öfter, als man wahrhaben möchte.

Nicht zuletzt vor diesem Hinter­grund regt es mich momentan ziemlich auf, dass über einen Einstieg des Staates bei der Luft­hansa auch nur nach­gedacht wird: Abge­sehen davon, dass es mir schwach­sinnig vor­kommt, um kurz­fris­tigen Arbeits­platz­erhaltes willen eine Dino­saurier-Branche künst­lich am Leben zu erhalten (statt die Lage zum Umbau hin zu einem zukunfts­fähigen Verkehr zu nutzen), muss wirklich nicht jedes Luxus­problem auf Kosten der Allge­meinheit gelöst werden.

2 Comments

  • Darf man das?

    Uh, lächelnder Flausch!
    Tja nu, was soll ich sagen. Madagaskar. Miii.
    Und auch viel, viel Arbeit. Das Paradoxe: Wenn mir ein Thema bei der Arbeit begegnet, ist es oft schlimmschlimmschlimm, sonst würde ich es nicht bearbeiten. Aber in der Regel betrifft es mich nicht, denn ich sitze in der Redaktion und die schlimmen Dinge sind woanders. Deswegen bin ich so berufstypisch zynisch und egal – betrifft mich ja nicht. (Man wird ja auch irre, wenn man sich alles zu Herzen nimmt.) Kurioserweise denke ich auch bei Corona: Ffft, betrifft mich ja nicht. Schließlich berichte ich ja dauernd drüber. Und wenn ich doch mal in irgendein Geschäft muss, raste ich komplett aus, weil: WAS SOLL DER DRECK?! Das betrifft mich nicht!!
    So ein Luxus. Miii.

    • Christian W.

      Madagaskar: Ist aber schon ein Unterschied, ob man auf so eine Reise lange hinfiebert oder drei bis vier Luxusurlaube pro Jahr als normal ansieht. Finde ich.
      Aber diesen Betrifft-mich-ja-nicht-Impuls kann ich auch kaum unterdrücken – nicht weil ich beruflich damit zu tun hätte, sondern weil es seit Beginn komplett abstrakt geblieben ist: Ich kenne kaum Menschen, die bisher auch nur getestet worden sind, und niemanden persönlich, der/die nach meinem Kenntnisstand positiv getestet wurde. Das ist alles sehr weit weg und kann trotzdem, theoretisch weiß ich das ja, sehr schnell sehr nah sein.

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