Sonntagsnotizen zu Gutenberg
In der WordPress.com-Community steigt die Nervosität: In einer Woche, am 1. Juni, wird der beliebte klassische Editor ausgeschaltet und zwangsweise durch Gutenberg ersetzt (dem unter Sympathie- und Seriositätsaspekten möglicherweise ein t fehlt, aber das nur nebenbei). Und obwohl meine Filterblase längst nicht mehr primär aus Coder-Nerds besteht, sondern sich aus Blogger*innen für Fluff & Flausch, Wandern, Fotografie und essbares Grünzeug rekrutiert, war Gutenberg dieses Wochenende großes Thema.
Obwohl – oder doch eher weil? Mein Eindruck ist nämlich, dass WordPress es bisher in der Kommunikation unterschätzt hat, wie viele der Kunden schon seit Jahren dabei sind, es sich in ihrem Blog häuslich eingerichtet haben und keinerlei eigenen Antrieb haben, grundlegende Mechanismen des täglichen Bloggens komplett über den Haufen zu werfen (wozu sie durch den neuen Editor allerdings gezwungen werden).
Man kann es sich wahrscheinlich, wenn man selbst eher ein Computer-Frickler ist, nicht vorstellen, aber es gibt eine Menge Menschen, die eben nicht stunden- und tagelang alles ausprobieren, wenn diverse Basis-Funktionen nicht mehr am gewohnten Ort und nach der gewohnten Logik strukturiert sind – die kapitulieren stattdessen irgendwann. Dieser Nutzergruppe reichen ein paar Einführungs-Videos und womöglich englischsprachige techniklastige Texte nicht aus; und wer nicht tief in der Materie drin ist, begreift auch nicht ohne weiteres, dass es manchmal nötig ist, alte Zöpfe abzuschneiden, damit auch in Zukunft alles funktioniert.
Nun bin ich sicher selbst nicht versiert genug, um einen kompletten Grundlagenartikel zum Umstieg auf Gutenberg zu verfassen, aber hier zumindest Notizen zu ein paar Dingen, die mir aufgefallen sind, seit ich selbst mit diesem Editor arbeite:
Also grundsätzlich geht fast alles, was vorher auch ging: Die Befürchtung, dass sich etwa keine Bildergalerien mehr einbauen lassen, ist unbegründet. Es sind eben nur ganz viele Funktionen woanders aufzurufen als bisher.
Wenn ich bisher daran gewöhnt war, ein Bild zu laden, und dann rufe ich die Medienübersicht auf, klicke drei Bilder an und es wird von selbst eine Galerie draus, muss ich jetzt umdenken: Wenn ich einen Block Bild einsetze, dann kann ich tatsächlich nur ein Bild auswählen. Für die Freiheit, eins oder mehrere Bilder auf einmal auszuwählen, setze ich einen Galerie-Block. Dann wähle ich alle Bilder aus und kümmere mich danach (auch anders als vorher) erst in der Layout-Ansicht, nicht schon auf der Medienseite (!), um die Reihenfolge der Bilder und andere Dinge. Welchen Galerietyp ich als Block auswähle, ist egal – das lässt sich nachträglich noch ändern: Collage, Slideshow, … oder ich mache aus dem Galerieblock wieder einen Block Bild, dann wird jedes Foto ein einzelner Block, der wie gewohnt als Bild editierbar ist.
Bzw. eben nicht wie gewohnt, weil auch eine Menge von Bearbeitungs-Funktionen neuerdings entweder in die rechte Spalte des Monitorbildes hinter das Zahnrad-Symbol ausgelagert sind, oder sie verbergen sich in Menüs, die je nach Mauszeiger-Position ein- oder ausgeblendet sind. Will ich etwa die Reihenfolge zweier Blöcke tauschen, muss ich einen Block anklicken und dann noch die Maus auf das Einblendmenü führen, damit die Pfeile nach oben/unten auftauchen … Wer mit dieser von Mobilgeräten inspirierten Bedienlogik nicht vertraut ist (was sicherlich auf einige WordPress-Blogger*innen der ersten Generation zutrifft), findet sich natürlich nur sehr schwer zurecht.
Bemerkenswert bei alldem finde ich, dass die neue Schnittstellenlogik zwar touch-inspiriert, aber definitiv nicht hinreichend touch-optimiert ist. Tatsächlich lässt sich ein Artikel mit Foto, das zu seiner eigenen Mediendatei in Großansicht verlinkt, in der iOS-App sogar noch umständlicher erzeugen als im Browser – so Stand heute, ich habe das extra für euch ausprobiert 🙂 Da muss man nämlich den Link zum Foto als URL aus der HTML-Ansicht des Artikelentwurfs herauskopieren und dann im Bearbeitungsmenü einfügen – einfach Mediendatei wählen wie im Browser gibt es nicht.
Aber insgesamt würde ich sagen, es ist kein großes Drama, sich in den neuen Editor einzuarbeiten, man muss nur eben einmal die generelle Block-Logik und die Bedienstruktur verinnerlichen. Jedenfalls wäre das für mich auf keinen Fall ein Grund, wp.com zu verlassen.
Wenn man sich halt gar nicht darauf einlassen mag, gibt es zwar immer noch die Option von selbst gehostetem WordPress (übrigens nicht zu verwechseln mit einer zu bezahlenden werbefreien Domain von wordpress.com – auch das eine Sache, die nicht für jedermann auf Anhieb verständlich ist). Das hat aber wieder andere Haken, deshalb noch kurz zu diesem Thema:
Dieses Blog hier läuft bezahlt bei wordpress.com, es ist die preisgünstigste wp.com-Variante oberhalb von gratis. Vorteile: der Domain-Name silberpixel.blog sieht schicker aus als silberpixel.wordpress.com, und ihr müsst keine Werbung hier ansehen. Alles andere ist identisch mit dem Gratis-Account: Insbesondere kann ich keine eigenen Plugins installieren, und schöneres Design wäre noch mal gesondert aufpreispflichtig.
All diese Einschränkungen gelten nicht für selbst gehostete WordPress-Installationen von wordpress.org – dort kann ich mein Blogdesign (das Theme) beliebig anpassen und Plugins installieren; auch kann ich so tolle Sachen machen, wie mit einer simplen Datenbankabfrage in 500 Artikeln auf einmal eine bestimmte Zeichenfolge zu ändern. Mein Werkstattblog und die neue Schwarzweiß-Galerie sind solche wp.org-Installationen (wenngleich welche ohne allzu viel individualisiertes Design). Die Domains liegen in diesem Fall bei Hetzner, das kostet sehr viel weniger als bei wp.com. Nachteil dieser Variante: Die Einbindung in den Feedreader von wp.com (über das Jetpack-Plugin) ist unfassbar frickelig und erwies sich in den paar Wochen, in denen ich es ausprobiert habe, als so unzuverlässig, dass ich sie wieder ausgeschaltet habe. Das bedeutet: keine Likes, keine Benachrichtigungen und Antwortmöglichkeiten über den WordPress-Reader.
Wer also diese Art der Interaktion schätzt, ist in meinen Augen bei wp.com nach wie vor gut aufgehoben (deshalb bleibt, entgegen meiner ursprünglichen Planung, auch dieses Blog weiterhin bei wp.com) und sollte einfach mal einen ruhigen Abend lang versuchen, sich mit dem neuen Editor anzufreunden. Im Notfall ist der Support hier ausgesprochen hilfreich, so meine Erfahrung. (Und wenn man über den Reader liest, ist die Frage des Blog-Designs sowieso zweitrangig, weil das dort ja erst mal nicht mit ausgeliefert wird.)
Langer Rede kurzer Sinn: Hoffentlich sind all meine Lieblingsblogs auch nach dem 1. Juni noch aktiv 🙂


12 Comments
Darf man das?
Ich frage mich grad, zu welcher der von dir aufgezählten Blogger-Kategorien ich wohl gehöre.
Ich musste unerwartet für den letzten Post (mit Foto) schon das neue Dings benutzen und boar, hat das genervt. Nix findet man. Und wenn man einmal was anklickt, kommt so einfach nicht mehr zum Ausgangspunkt zurück, intuitiv ist anders.
Normalerweise bin ich ein Mensch, der total angepisst hinwirft, DENN EBEN NICH, IHR F***. Irgendwie muss ich in einer enormen Zen-Stimmung gewesen sein, es trotzdem durchzuziehen. Ich bin niemand, der sich Anleitungen durchliest (oder schlimmer noch: anguckt!), entweder, ich finds selber raus oder jemand erklärt es für Idioten, oder DENN EBEN NICH!!
Mal sehen, wie oft ich noch Lust habe, zu fummeln. Wenn ich Glück habe, gewöhn ich mich einfach dran und dann ist das halt so. Und sonst: DENN EBEN NICH!
Christian W.
Du bist meine Topexpertin für Flauschfragen und neuerdings Katzencontent. – Und an die Bedienung kann man sich gewöhnen, es dauert aber ein bisschen. Ist auf jeden Fall schlimmer als drei Word-Versionssprünge auf einmal. Aber man findet es selber raus – ich habe auch nichts dazu gelesen oder gar Videos angeguckt, nur rumprobiert. Bloß für die Frage nach HTML in Headlines habe ich den Support bemüht.
Darf man das?
Letzteres war bisher kacke gelöst, muss ich sagen…
Nun habe ich ja beruflich viel mit so ollen Systemen zu tun und natürlich überall andere, ich lerne sowas in der Anwendung normalerweise schnell. Mir hat sich nur noch nich so richtig die Logik hinter dem Zeug erschlossen. Ist ja aber auch nicht so, als hätte ich mir Mühe gegeben.
Und das mir dem Katzencontent hält sich echt, hömma!
Christian W.
Ich hatte halt all die Jahre nie den visuellen Editor in Betrieb, sondern habe immer HTML getippt und fand das ziemlich bequem – dass das jetzt so umständlich und teilweise unmöglich ist, finde ich an Guti noch am schlimmsten.
Und Katzencontent ist doch prima 🙂
Darf man das?
Mir schrieb da mal ein gewisser chw: „Klasse, nach all den Jahren des Widerstands hab ich auf meine alten Tage jetzt doch noch ein Katzenfoto-Flauschblog im Reader 😉
Christian W.
Ist wohl eine Frage des Alters. Woanders las ich grade dieser Tage, Ja, ich bin auch „ich geh Enten gucken“-alt. Passiert mir bekanntlich auch schon …
Follygirl
Danke für die schnelle Antwort und so lerne ich also auch einen neuen Blog kennen.
Hab mit Technik echt nix am Hut, es soll nur laufen (möglichst einfach und ohne lange daran rum zu denken) bin eben ein Bastel-Katzen Hunde -Koch -Mäuschen, (?da kann man eben nix anderes erwarten, gell?)
Hoffe, ich finde alles wieder und kann ohne nachzudenken meinen seichten Kontent abgeben…??
LG, Petra
Christian W.
Bitte schön, ich freu mich immer, wenn ein Tipp brauchbar ist, und sorry, dass ich auf dies umso langsamer antworte, aber der Schreibtisch quillt grade über …
Klaus
Na, dann Toi toi toi.
Ich nutze für mein Blog immer noch s9y, und bei WP habe ich für den Podcast die Podlove-Tools zur Bedienung – damit komme ich um jedweden WP-internen Editor herum. Mal sehen, ob das dann auch demnächst noch geht …
Gruß,
Klaus
Christian W.
Grade die Erweiterbarkeit durch Plugins ist doch einer der größten Vorteile von selbst gehostetem WordPress – ich denke, die würden sich gehörig ins Knie schießen, wenn sie das abstellen. Und bei den Plugins gibt es auch den Classic Editor, fürs h4ndw3rk-Blog habe ich den noch installiert. (Hier wäre er mir zwar wichtiger, weil ich hier viel häufiger schreibe; aber dies ist nun mal wp.com, do geiht dat nich.)
Aebby
Liegt vielleicht am Alter, dass die Lust am Frickeln vergeht. Ich mogle mich mit den WP Editoren schon seit langem auf diversen Umwegen durch, die Diskussionen um Gutenberg sind völlig an mir vorbei gegangen. Ich hätte bis jetzt nicht mal sagen können ob der alte oder der Block-Editor Gutenberg heißt. Offensichtlich habe ich mich an den richtigen gewöhnt. 😉
Christian W.
Jo, der Spaß am nächtelangen Debuggen war vor ein paar Jahren noch größer … Aber liegt nicht deine Domain auf deinem eigenen Webspace? Dann könntest du bei Bedarf auch den Classic Editor per Plugin nachrüsten. (Wenn nicht das meiste an Kommunikation hier über die wp.com-Funktionalität liefe, hätte ich dies Blog genau deswegen noch mal auf den eigenen Webspace geschubst – mit Gutenberg dauert einfach alles doppelt so lange wie früher.)